5. Februar 2001
Tschuldigung, verbeamt! Die außerordentlich irre „Bullyparade“ hat den Durchbruch geschafft – ihren Erfinder Michael Herbig erfüllt das mit Sorge |
VON STEFAN NIGGEMEIER
Und wieder einmal, wie so oft in der Filmgeschichte, ist eine Maschine
außer Kontrolle geraten und kein Pilot mehr einsatzbereit. Alle Hoffnung
ruht auf einem Amateur, der, instruiert durch alte Hasen im Tower, das
Ding heil runterbringen muss. Was für ein unglückliches Gefährt
ist es diesmal? Ein Hubschrauber? Eine Boeing? Ein Raumschiff?
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Foto: ddp/SV |
Ein Rasenmäher. „Hallo, ich hab’ a Problem“, ruft die Frau am
Steuer in ein Handy, während sie unkontrolliert auf einer Grünfläche
im Kreis fährt, „Sie müssen mir helfen, ich kann meinen Rasenmähertraktor
nicht mehr anhalten!“ Zwei Männer im Kontrollturm wissen, was sie
in solchen Situationen zu tragen (Sonnenbrille), zu tun (schwitzen) und
zu sagen haben: „Lady, haben Sie so ein Ding schon mal gesteuert?“ – „Naa,
normalerweise mäht mein Mann den Rasen, aber der ist heut’ zur Kur!“
Panik. Nur Stryker kann die Frau noch retten. Todesverachtend hat er einen
anderen Traktor gesattelt, holt Meter um Meter auf, greift nach ihrer Hand
– und verpasst sie. „Wenn sie ins hohe Gras kommt, verlieren wir sie!“
Schließlich schafft er es, die völlig verängstigte Hausfrau
zu sich herüberzuziehen. „Stryker“, sagt sein Kollege im Tower, „ich
bin kein Freund großer Worte, aber hier sitzen ein paar Männer,
die sind mächtig stolz auf Sie. “ Stryker fährt, die Gerettete
quietschend auf dem Schoß, in Richtung Horizont, wo goldgelb die
Sonne untergeht.
Sketche darf man nicht faxen Das muss man gesehen haben. Gesehen, nicht gelesen. Aufgeschrieben sind die Sketche aus der Bullyparade vor allem eines: gaga. „Prall“, sagt Bully, Chefautor, Produzent, Regisseur, Frau auf Traktor und Mann in Tower. „Das Gefährlichste, was du machen kannst, ist, einen Sketch irgendwohin zu faxen“, sagt er. „Das funktioniert nie, nie, nie. Wenn es gar nicht anders geht, schreiben wir wenigstens dazu: Wir sind gleich bei Euch und tanzen Euch das vor. “ Das ist nötig, hilft aber auch nur ein bisschen. Bullys Sketche erreichen regelmäßig ein Maß von Sinnfreiheit, dass selbst nach dem Vorspielen mit Dialekt, Grimassen und dem ganzen parodistischen Talent der durchschnittliche Vorgesetzte gerne sagt: „Hä?“, oder „Und die Pointe?“ Hilft alles nichts, man muss Bully das drehen lassen. Dann zeigt er sein Gespür für Filmstandards, Details und Musik, inszeniert die unendlich blödsinnige Idee, Katastrophenfilme mit einer Frau auf dem Rasenmäher nachzuspielen, stilsicher mit allen Versatzstücken des Genres. Funktioniert auch nicht immer und provoziert gelegentlich die naheliegende Frage nach dem Drogenkonsum der Beteiligten. Aber dem ratlosen Zuschauer bleibt wenigstens das Gefühl, dass das gerade vielleicht unglaublicher Schrott war, aber ganz sicher höchst origineller Schrott. So weit ist es also gekommen Es ist eines der kleinen Wunder des Privatfernsehens, dass es so weit kommen konnte, dass heute um 23. 15 Uhr auf Pro Sieben schon eine fünfte Staffel der Bullyparade auf Sendung geht – überhaupt, dass sie jemals jemand auf den Bildschirm gelassen hat. Es war Oliver Mielke, damals Unterhaltungschef bei Pro Sieben und heute noch Bullys Co-Produzent. Vorher hatte Bully, der eigentlich Michael Herbig heißt, mit seinen Freunden Christian Tramitz und Rick Kavanian schräge Kleinsthörspiele fürs Radio gemacht, eine legendäre Morningshow und eine Endlos-Mini-Comedy-Serie für TV München namens Die Bayern-Cops. Mielke bot ihm eine eigene Sketch-Sendung an. Und weil Bully einer ist, der Sachen gerne selbst macht, sagte er unter der Bedingung zu, auch Regie führen zu dürfen. Schon als Teenager beschloss er nach ausführlichem Spielberg- und Hitchcock-Filmstudium, dass es besser ist, Regisseur zu sein, weil er nur so „authentisch erzählen kann, was in meinem Kopf passiert“. Um den Umgang mit Bildern zu lernen, ist er erst einmal Fotograf geworden. Danach war ein Studium an der Filmhochschule vorgesehen, aber die haben ihn nicht genommen. Darunter leidet er heute noch. Die ersten Folgen der Bullyparade waren nicht gerade das, was man einen Erfolg nennen würde oder einen verheißungsvollen Anfang. Aber Pro Sieben hatte den seltenen Mut, abzuwarten. Knapp tausend Sketche hat das kleine Team inzwischen aufgenommen. Die kann man lieben oder hassen; nur Konfektionsware sind sie nicht. Nicht, dass die Ideen durch Komplexität beeindrucken würden. Die beiden Freunde Pavel und Bronko beenden einfach jedes zweite Wort auf die pseudoslawische Endung „-tsch“, der Grieche Dimitri lädt zum „Klatschkaffee“, weil ihm die Reihenfolge zusammengesetzter Wörter ein Mysterium geblieben ist. Die neue Soap Die Latrine spielt auf dem Klo: Diesmal hat sich Ulf aus seiner Kabine ausgesperrt, und bei Nachbar Willy ist kein Platz, weil die Eltern zu Besuch sind. Freundlich lächeln sie auf der Brille. So doof die Figuren sind, so liebevoll und genau sind sie gezeichnet. In der Raumschiff-Enterprise-Variante sind ausschließlich Tunten an Bord – ein Schwulenwitz, den selbst Schwule originell finden. Die Besatzung um „Käpt’n Kork“ kämpft wie fast alle Bully-Figuren mit Alltagsproblemen: Sprit ist alle, Wäschetrockner kaputt, die Klingonen schicken böse Faxe und, schlimmstes Missgeschick: „Tschuldigung, verbeamt!“ Vor dem Zelt von Winnetou (natürlich auch ein Bayer) flattern seine frisch gewaschenen Hosen auf einem Wäscheständer, und bevor Old Shatterhand hineingeht, drückt er auf eine Klingel am Zelt, die ein fröhliches Ding-Dong macht. Filme wollte er immer machen, selbst Radio verstand Bully als Medium, das Filme im Kopf entstehen lässt. Seine größten kleinen Witze inszeniert er wie Hollywood-Kino, nicht wie die meisten Kollegen im Fernseh- oder Bühnenformat. Ein Kabarettist, der durch Kleinkunsttheater zog, war Bully nie. Auf der Bühne sieht er aus wie ein verwirrter Clown, der nicht wirklich begreift, was er da macht und warum die Leute lachen. Ein Clown ist das nicht, der in München mit seiner Firma Herb X inzwischen stattliche Büroräume besitzt – aber der unsichere Blick auf der Bühne ist nicht nur kokett. „Das ist mir schon ein bisschen unheimlich, wie mich da 300 Menschen angrölen. “ Ein Comedian habe er nie werden wollen, sagt er, ein Star schon gar nicht. Er sieht so aus, als könnte er das gar nicht werden. Eigentlich ist es ein Traum „Wir werden nie sechs Millionen Zuschauer haben. Dazu müsste ich mich so verbiegen, dass ich kein glücklicher Mensch mehr wäre. Ich will das tun, was von mir kommt – auch wenn die Leute mit einem großen Fragezeichen dastehen. “ Dass immer mehr Leute mit leuchtenden Augen dastehen, ist durchaus ein Problem. „Ich glaube, dass die Bullyparade funktioniert, weil wir mit einer Unbefangenheit und Risikobereitschaft darangegangen sind, ohne auf die Quote zu schielen. Mit wachsendem Erfolg tendierst du dazu, doch öfter nachzusehen. Das will ich vermeiden. Ich will den kindlichen Spaß nicht verlieren. “ Eine Pause nach dieser Staffel wäre gut, sagt Bully. Ohnehin ist er erst einmal damit ausgelastet, seinen zweiten Kinofilm Der Schuh des Manitou in diesem Sommer ins Kino zu bringen, vom Herbst an dreht er eine Fortsetzung von Erkan und Stefan. Dann will er sich entscheiden, wie es weitergeht. Eigentlich ist es ein Traum: In den letzten zehn Jahren hat er sich eine eigene Firma aufgebaut, 15 Mitarbeiter, Tonstudio, Freunde und Autoren, die über das Gleiche lachen wie er. So wie es jetzt läuft, könnte er daraus ein kleines Medienimperium machen, vielleicht wie Brainpool. Aber das wird er nicht tun. Dazu sei ihm seine Freiheit zu wichtig, sagt er. Auch wenn er nur Sklave seiner selbst wäre. „In dem Moment, wo du fragst, wem das gefallen könnte, was du machst, hast du verloren.“ Sagen das nicht alle? Aber Bullys Sendungen sieht man es an. |