vom 27./28. Juli 2002
Michael Bully Herbig über Nuggets 
von Achim Zons
Herr Herbig, fangen wir gleich mit einem weltpolitischen Thema an: Was kostet ein Liter Milch? 
Ich kenne nur die Preise von meiner Tankstelle – und die sind sehr hoch. 
Es gibt Leute, die fahren zu einer Tankstelle, um zu tanken. 
Ja, ich mach das mit dem Einkaufen auch nur im Ausnahmefall. Das nimmt mir Gott sei Dank meine Freundin ab. Es ist für mich nicht ganz einfach, in einer Warteschlange zu stehen. 
Die Freundin kauft ein und kocht, Sie hacken Holz und erlegen die Bisons. 
So ungefähr. Um ehrlich zu sein: Ich kümmere mich ein bisschen um die Wäsche. 
Was machen Sie eigentlich mit der ganzen Kohle? 
Kohle? 
Mit was zahlt man noch mal im Wilden Westen? 
Mit Nuggets. 
Okay, was machen Sie mit all den Nuggets, die Sie für den „Schuh des Manitu“ bekommen haben? 
Aufteilen. Die meisten Nuggets gingen aber leider an die Co-Produzenten. 
Warum haben Sie die denn dann mit ins Boot genommen? 
Es gab damals niemanden, der gesagt hat, oh ja, Western, das ist der Renner, das musst du jetzt machen, damit wird man reich. Sondern es gab Leute, die gesagt haben, um Gottes willen! Ich zitiere da immer gerne die Absage der Filmförderung: „Und außerdem ist das Gremium der Meinung“, stand da, „dass Western-Persiflagen aktuell nicht der große Renner sind“. (lacht) Schön, nicht? 
Das sind eben Leute, die wissen Bescheid.
Und deshalb sind damals Menschen wie Eichinger dazugekommen. Derjenige, der die Kohle da mit hineinbringt und mit einem gewissen Risiko auch hineingeht in das Projekt, ist natürlich in der Situation zu sagen, okay, dann muss ich halt hinten herum auch ein bisschen was davon haben. Dass das etwas ungleich war, ist zwar so, kann man aber im Nachhinein niemandem zum Vorwurf machen. 
Kann es sein, dass diese Erfahrungen von damals Sie veranlasst haben, nochmals das Pferd zu satteln und diese X-Large Version des „Schuh des Manitu“ in die Kinos zu bringen? 
Nein, aber nachdem dieser Film einen solchen Erfolg hatte, versucht der eine oder andere, mir jetzt bei der Wiederaufführung ein wenig entgegenzukommen. Mein persönlicher Erfolg ist, mir die Bahn freigeschossen zu haben. Es war immer primär mein Wunsch, die Leute mit irgend etwas zu überraschen. 
Zum Beispiel mit dem selben Film. Eine schöne Idee. 
Nein, wir hatten ziemlich schnell die Idee, was Zusätzliches zu machen. Irgend jemand kam dann auf den Gedanken, Szenen, die wir nicht mit reingenommen hatten, hineinzuschneiden, und fragten mich: Hey, kannst du nicht einen Director’s Cut machen? Dann habe ich gesagt: Freunde, das ist ein Director’s Cut. Die Szenen, die wir rausgeschnitten haben, die haben wir rausgenommen, weil wir sie nicht gut fanden! Warum soll ich die jetzt wieder reinschneiden? Um den Film schlechter zu machen? 
Was war dann Ihre Idee? 
Mein Vorschlag war: Lasst uns einen Prolog machen, in dem wir erzählen, wie das Ganze begonnen hat. 
Mit Großvater Grauer Star zum Beispiel. 
Ja. 
Wie sind Sie denn auf den gekommen? Ich habe 52 Karl-May-Bände gelesen – bin aber nirgends auf einen Indianer namens Grauer Star gestoßen! 
Recherche, alles Recherche. Grauer Star war der Großvater von Abahachi, natürlich auch Apache. Er hatte seine große Zeit von 1848 bis . .. jetzt muss ich kurz rechnen... 
1848? Als man in Frankfurt in der Paulskirche die erste deutsche Verfassung verabschiedet hat?
War das die Zeit? Das kommt hin. In Frankfurt war Grauer Star aber auf keinen Fall. Im Grunde war ja vor Grauer Star nichts. Von Grauer Star haben sich alle inspirieren lassen. Deswegen hieß er ja auch Grauer Star. Hören Sie mir noch zu? 
Ja ja, sehr interessant. 
Von Grauer Star zum Beispiel hat Abahachi gelernt, dass es wichtig ist, alles zu teilen. Deshalb hat Abahachi auch das Puzzle erfunden. Wer uns kennt, weiß, dass wir sehr lange und sehr intensiv recherchieren. 
Grauer Star ist ein seltsamer Name für einen Apachen, finden Sie nicht? 
Das hat damit gar nichts zu tun. Er war einfach der erste Star, den wir da drüben hatten. Nachdem er eben grau war, war er der Graue Star. 
Finden Sie es nicht ungewöhnlich, dass die dort im Indianerland Deutsch gesprochen haben? 
Der eine heißt „Vom Winde verweht“, der andere heißt „Der mit dem Wolf tanzt“. Da gibt es halt auch einen, der Grauer Star heißt. Es waren ja auch metaphorische Namen, teilweise. Aber jetzt sind wir irgendwie abgekommen. 
Ist der Film denn nun komplett? 
Ja, jetzt ja. Das tut mir sehr leid für alle, die vorher schon in den Film gegangen sind. Das ist nämlich jetzt die schlechte Nachricht an der ganzen Sache: Die elf Millionen, die den „Schuh des Manitu“ gesehen haben, sind zu früh ins Kino gegangen. Das war wirklich keine Absicht. 
Ich würde Sie gerne mal was anderes fragen. 
Ich würde gerne noch etwas über Grauer Star erzählen. 
Was ist denn Ihre Lieblingsstraße bei Monopoly? 
Natürlich war ich immer scharf auf die Schlossallee. 
Das ist aber nicht originell. 
Ja, aber mir fällt jetzt auch keine andere ein. Das Gefängnis fällt mir noch ein. Das Los. Die Ereigniskarte. 
Stimmt das, dass Sie fast mal im Gefängnis waren? 
Na ja, so schlimm war es nicht. Ich war 14 oder 15 und hab’ gebreaked auf dem Marienplatz. 

Foto: Frank Stolle
Sie haben was? 
Breakdance. Laute Musik, eine Kappe fürs Geldsammeln, und wir – wir waren zu viert unterwegs – beim Breakdancen auf dem Marienplatz. Plötzlich kam die Polizei und hat das irgendwie ausgebremst. Und ich dachte, okay, die wollen halt nicht, dass wir jetzt da rumhüpfen. Doch dann sagte der Beamte: „Wem g’hert denn der Kassettenrecorder“? Und das war dann blöderweise meiner an dem Tag. Da musste ich ihm leider sagen: „Hey, Mann, des i koa Kassettenrecorder, des is a Ghettoblaster!“ Da musste ich mit auf die Station, auf die Polizeiinspektion im Tal. Mir ist echt der Stift gegangen. 
Geldstrafe? 
Es gab eine Verwarnung. Aber ich bin mir halt gleich ganz schlecht vorgekommen, hab’ gedacht, oh Gott, jetzt bin ich vorbestraft. Jetzt krieg’ ich keine Frau mehr und keine Arbeit. Und meine Mutter, um Gottes willen, wenn ich nach Hause komme! Womöglich fahren die mich mit dem Auto nach Hause... Was für eine Schande für die Familie, für die ganze Gegend. 
Sie sind ein Einzelkind, nicht wahr? 
Was heißt Einzelkind? Als Einzelkind zusammen mit einer allein erziehenden Mutter bedeutet Kinderhort, Kindergarten, Tagesheimschule bis zum Internat und dann natürlich Bundeswehr. Im Prinzip hat sich das irgendwie 20 Jahre lang durchgezogen, immer mit anderen Kindern zusammen zu sein. Und ich glaube, dass das nicht schadet. Man lernt, sich zu integrieren, zu tolerieren... 
Vermutlich haben Sie zu Hause nicht in Saus und Braus gelebt. .. 
Nein, wirklich nicht. Ich kann mich schon noch an Zeiten erinnern, wo mir meine Mutter die Jacken gestrickt hat. Weil das Geld halt nicht da war, um eine Jacke im Laden zu kaufen. Und das versuche ich heute zurückzugeben. Heute geht es uns richtig gut. Jetzt kaufe ich ihr die Jacken. Ich würde ihr auch eine stricken. Ich sage jedes Mal, „Mutter, ich strick dir auch gern mal eine Jacke!“ Aber sie will nicht. 
Der Reporter blättert in seinen Unterlagen. Noch bevor er was sagen kann: 
Haben wir schon über die Kindheit von Grauer Star geredet? 
Ich kann mich nicht erinnern. Muss aber auch nicht. .. 
Die Kindheit von Grauer Star war sehr hart, wie überhaupt das Leben im Wilden Westen immer sehr hart war. Wir haben deshalb den Prolog in den Südstaaten gedreht, da wo die Südstaatler auch herkommen. Leider ist es uns nicht gelungen, herauszufinden, mit wem Grauer Star zusammen war. Also: Wer war seine Frau? Wer war sein Pferd? Aber das dann vielleicht nächstes Jahr. 
Grauer Star trägt die ganze Zeit eine Sonnenbrille. War es im Wilden Westen üblich, Sonnenbrillen zu tragen? 
Das behaupten wir.
Und man kannte auch schon Mikros, elektrische Musik und dieses technische und akustische Equipment. 
Ja, das war sensationell. Eins gebe ich zu: Man muss natürlich, um den Leuten im Kino das alles ein bisschen näher zu bringen, ein wenig mogeln. Aber deswegen haben wir jetzt auf der CD von dem Song auch eine glaubwürdige Version mit drauf, die Lagerfeuerversion. Da hört man sehr gut, wie es wirklich war. 
Gut, dass wir das geklärt haben. Das war sehr wichtig. 
Ja, der kulturelle Anspruch dieses Films ist oft nicht so gewürdigt worden, wie es sich eigentlich gehört hätte. Ich habe immer gesagt: „Vorsicht, das wird unterschätzt.“ 
Wie war das eigentlich mit Geld in Ihrer Kindheit? Was war denn die erste Kohle, die Sie überraschenderweise verdient haben? 
Das weiß ich noch ganz genau. Da war ich ungefähr vier Jahre alt. Ich war bei meiner Großmutter im Allgäu. Da habe ich damals an so Schlüsselanhängern mitgebastelt, die sich auch Wanderer oft an die Stöcke hinklopfen. Ich bin als Vierjähriger davon ausgegangen, dass ich pro Schlüsselanhänger bezahlt werde. Ich habe gearbeitet wie ein Wahnsinniger. Am Ende kommt der Mann, der immer die Schlüsselanhänger abgeholt hat, und drückt mir zwei Mark in die Hand. Zwei Mark! Da habe ich mit meinen vier Jahren zum ersten Mal gemerkt, wie es ist, über den Tisch gezogen zu werden. Ich habe den ganzen Tag gearbeitet – und der Mann drückt mir einen Zwickel in die Hand. Ich war damals dann sofort der erste Kritiker von Kinderarbeit. 
Haben Sie Taschengeld bekommen? 
Das waren im Durchschnitt vielleicht 20 Mark im Monat. 
Erinnern Sie sich noch, wofür Sie damals Geld gespart haben? 
Ja. Ich glaube, ich war als Zehn-, Elfjähriger ein ganz großer Elvis-Fan. Ich denke, das erste Geld ging für eine Elvis-Platte drauf. Die X-Large-Version vom „Schuh des Manitu“ startet übrigens Ende August in Spanien mit 100 Kopien. 
Ach ja? 
Und in einer ganzen Menge anderer Länder. Ich habe irgendwo noch ein Liste: Russland, Polen, Ungarn, Brasilien, Spanien, Portugal. Wir sind sogar mit Hongkong, Korea, Japan und Südafrika in Verhandlung. 
Stelle ich mir spannend vor: chinesische Untertitel. 
Nein, keine Untertitel. Ich verlange zum Beispiel von den Leuten – um auch da einmal ein Zeichen zu setzen, dass es um eine Vision geht –, dass sie diesen Film in ihren Ländern synchronisieren. Ich freue mich schon auf die Situation, wenn Ranger – in der spanischen Version – am Marterpfahl sagt: „I’m not happy about the whole situation.“ 
In der spanischen Version? 
Okay, dann eben: „No soy feliz por toda la situación!“ 
Wissen Sie als Spezialist für den Wilden Westen eigentlich, in welchen Formen es Nuggets gab?
Ja natürlich. Es gab da die Handnuggets, kleine Nuggets, große Nuggets, die Fünfer-Nuggets, Zehner-Nuggets... 
Interessant. Hat man die Nuggets auch auf die Bank getragen? 
Ja, aber da sind sie nicht sehr lange geblieben. 
Weil Leute wie Butch Cassidy und Sundance Kid kamen und die Banken überfielen... 
So ist es. Schließlich gab es ja auch Banken, die haben einem garantiert, dass sie in den nächsten fünf Tagen überfallen werden, damit man die Versicherung kassieren konnte. 
Toll. Woher wissen Sie das alles? 
Recherche. 
Können Sie sich noch erinnern, wann Ihre Leidenschaft für das Ganze das erste Mal sichtbar wurde? 
Klar. Mit zehn oder elf Jahren ging’s los, dass ich Schauspieler werden wollte. Mit 13, 14 hat sich das dann mehr und mehr auf die Regie konzentriert. Mir wurde immer mehr klar, dass die Regie eigentlich das ist, was ich machen will. Deshalb die Fotografenausbildung. Deshalb auch der Job in einem Video-Kopierwerk, noch vor der Bundeswehr. Ich wollte einfach was mit Film machen. 
Kann mir schwer vorstellen, wie Sie bei der Bundeswehr im Schlamm rumgerobbt sind. 
Ich war Fahrer. Auch da habe ich keine Sekunde ausgelassen, dem Zugführer zu sagen, dass wir unbedingt einen Teamfilm brauchen. Wie wäre es denn, habe ich ihn gefragt, wenn ich mal einen richtig schönen Film über die Truppe machen würde? 
Da haben Sie die Toilette putzen müssen.
Nein, da habe ich den Film gemacht. Mit der Videokamera, und geschnitten hab’ ich ihn mit zwei Videorecordern. Das Ergebnis haben wir dann vorgeführt. War sehr lustig. 
Jetzt also bald der neue Film: das Weltraumabenteuer. Der andere große Regisseur, George Lucas, hat 200, 300 Millionen Dollar für seine letzte Star-Wars-Episode verbraten. Was schwebt Ihnen denn so vor? 
Das weiß ich noch nicht. Im Grunde ist es so: Wir haben an dem Tag, als das Ergebnis der Umfrage bekannt wurde, also direkt in der Nacht darauf, noch das Drehbuch geschrieben. Jetzt müssen wir halt mal ausrechnen, was das kostet. 
Produzieren Sie diesmal alleine? Oder nehmen Sie wieder einen mit dazu? 
Mal sehen, wie groß das Budget sein muss. Ich glaube nicht, dass du ein Budget von sieben oder acht Millionen Euro überschreiten solltest. Das geht nicht für den deutschsprachigen Markt. 
So ein Raumschiff ist möglicherweise ein wenig teurer als ein Pferd.
Wir müssen eben viel über den Ton machen. 
Sie wollen also eine Untertasse zeigen und sagen: Die fliegt! Und den Rest über den Ton machen? 
Ja, das wäre mein Traum. 
Bleibt mir nur noch eine Frage. Es ist eigentlich die Frage, weswegen ich hergekommen bin.
Fragen Sie nur. 
Was kostet ein Tomahawk? 
Meinen Sie jetzt für den Film oder damals? 
Damals. 
Im Prinzip hat man sich den Tomahawk damals geschnitzt. Der Indianer an sich ist ja ein Naturvolk, ein Jäger und Sammler. Im Grunde haben die sich letztendlich einen Ast genommen, einen Stein, und dann wurde das zusammengebastelt. Da hat man dann gesagt: Da schau her, was hast’n du für einen Tomahawk!? 
Und was haben Sie für einen? 
Ich hab’ einen 260er.


Manchmal lernt man Menschen ganz schnell kennen. Ein paar Leute stehen mittags um zwölf vor dem Rottmanns, einem Kino um die Ecke von Münchens Stiglmaierplatz, und warten auf den Fotografen. Der - jung, schlaksig, Hose in den Kniekehlen - kommt endlich und fragt die Hauptperson: 'Wer bist'n du?'
Der, höflich: 'Ich bin Bully Herbig.'
Das Gespräch war im Februar verabredet und immer wieder verschoben worden. Es wäre also schön, wenn jetzt alles reibungslos verlaufen würde. Doch leider ist keiner im Kino, der einen reinlassen könnte. Hektische Telefongespräche des Mannes mit den Kniekehlen. Endlich kommt der Filmvorführer. 'Du, hey, können wir hier ein Foto machen?'
'Klar, Mann, aber nur kurz. In zehn Minuten kommen die Inder.'
'Inder?'
'Klar, Mann, Sondervorführung.'
Die Hauptperson bleibt ruhig. Gelassen. Unerschütterlich. Bully ist Stier, ein Stier mit sonnigem Gemüt. Zehn Minuten für ein Foto, kein Problem. Und dann kommen die Inder....

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