vom 25. Februar 2002
Montag ist Schontag
ProSieben will lustig sein und verlängert das Wochenende – mit Bully, Raab sowie Erkan und Stefan
Nieder mit dem grauen Montag!" ist die neue Eigenwerbungs-Kampagne von Pro Sieben überschrieben. Der Satz macht stutzig: Schwingt da Selbstkritik mit (mal nachschlagen: letzten Montag lief zur Hauptsendezeit erst Simpsons, dann TV Total und Quatsch Comedy Club) oder was will der Sender mit der Setzung „grauer Montag" bezwecken? Seit wann sind Montage grau? Eine gebräuchliche Redewendung ist das nicht, landläufig spricht man doch eher vom „blauen Montag". Wer am Freitag und Samstag schon gefeiert hat, gießt sonntags noch mal nach - in der Hoffnung, dass man mit genug Restalkohol den Montag im Büro gut übersteht. Oder man macht gleich blau. Total normal.
Also: Mit dem Kampfruf will Pro Sieben darauf aufmerksam machen, dass der traditionell comedy-intensive Montagabend weiter ausgebaut und verfeinert wurde. RTL hat seine Aktivitäten auf diesem Sektor am Freitag verdichtet: Der Zuschauer kann bei entsprechender Neigung von 21.15 Uhr (Anfang von Was guckst du?) bis 1.10 Uhr (Ende von Frasier) mit Comedy ins Wochenende hineinfeiem. Am Samstag übernimmt Sati (Wochenshow), sendet am Sonntag noch Markus Maria Profitlichs Mensch Markus hinterher, das ergibt genug Restcomedy-Bestände im Hirn, um gut durch den Montag zu kommen. Den endgültigen Absacker spendiert dann Pro Sieben. Das Ende der Spaßgesellschaft - man hat es sich irgendwie anders vorgestellt.
Erfreulich am neuen Comedy-Montag bei Pro Sieben ist zunächst einmal, dass die Bullyparade von heute an schon um 21.45 Uhr läuft. Michael „Bully" Herbig, der mittlerweile nur noch ungefähr von jenen 0,3 Prozent der Bevölkerung, die seinen Autorenfilm Der Schuh des Manitu noch nicht gesehen haben, als Klamotten-Krachvogel belächelt wird, hat den Primetime-Platz verdient, weil er der konsensfähigste Comedy-Star in Deutschlands ist - und gleichzeitig derjenige, der sich am weitesten aus dem Fenster lehnt. Wo sonst gibt es im Femsehen Witz-Filme über den „kleinen Hitler" zu sehen, der sich für gewöhnlich beim jüdischen Süßwarenhändler mit Bonbons eindeckt und in die Luft gesprengt wird, weil ihm der Verkäufer einmal statt des Bonbons eine Handgranate reicht? Danach geht es weiter mit präzisen 'Sissi-Traumschiff- und Raumschiff Enterprise Parodien.
Herbigs Recycling-TV speist sich aus den Tiefen der Populärkultur und ist das Ergebnis einer vor dem Femseher verbrachten glücklichen Kindheit. Er liebt das, was er verarscht. Das unterscheidet ihn von dem Nihilisten Stefan Raab, dessen Recycling-Show TV Total (direkt nach Bully um 22.15 Uhr) nur noch aus Raabs zähnefletschendem Lachen besteht. Mit dieser Lache ätzt Raab alles weg, was nicht Raab ist.
Das Comedy-Paket wird jetzt um 23.15 Uhr zugeschnürt von Headnut.tv, der ersten Femseh-Show mit dem Komiker-Duo Erkan und Stefan. Die beiden Neuperlacher Rapper wollen „checken, was außerhalb der Hood so abgehen tut", also besuchen sie einen Bio-Bauem („Wieviele Titten hat die Kuh?"), einen Kunsthistoriker („Macht Kunstschwul?") und einen Feuerwehrmann („Darf der Feuerwehrmann überall abspritzen oder muss er vorher fragen?"). Das Konzept ist dreist abgekupfert vom englischen Komiker Ali G., der sich in seiner Reality-Comedy als ein Reporter vom Schulfunk ausgab, um Experten aus den Bereichen Kunst, Politik und Wissenschaft mit gespielt naiver jugendlicher Wissbegierde zu irritieren.
Headnut.tv glückt bloß halb, weil es nur eine Parodie aufs Bildungsfemsehen sein will. Ali G.s Interviews aber waren dessen radikale Zuspitzung. Insgesamt bleibt der Montag für die Lachmuskeln ein Schontae.
OLIVER FUCHS

(Anzeige von ProSieben)

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