vom 17. Juni 2002
DerTag des Panthers Bully rettet die Show – zur Verleihung des 52. Deutschen Filmpreises in Berlin |
Pailletten und Edelsteine, Seide und Taft, dazu das ewige, auf Abruf
bereite Fotolächeln - ja, ein wenig durfte man nun doch an Hollywood
denken oder an Cannes an diesem Abend in Berlin, vor dem Tempodrom, bei
der Verleihung der 52. Deutschen Filmpreise: Mit gutem Timing war auch
die Sonne zur Stelle, als das Defilee der Stars startete, und von der großen
Freitreppe des Tempodroms aus gesehen, mutet die bröckelnde Ruine
des Anhalter Bahnhofs gegenüber an wie die grandiose Kulisse eines
Historienepos. Der trist graue Mietskasernenklotz dahinter scheint dagegen
eher jene Geschichten aus dem Alltag dieses Landes zu bergen, in denen
„Angst essen Seele auf".
Nach den europäischen - im vergangenen Dezember - sind nun, vergangenen Freitag, auch die deutschen Filmpreise im neuen Betonzeltbau des Tempodrom verliehen worden. Und womöglich haben sie nun, nach den langen Jahren des Nomadierens zwischen Theater des Westens und Staatsoper, eine dem Geist des Kinematographen angemessene Bleibe gefunden, mit der Verbindung von luftig flirrendem Zirkusflair und einem Theaterbau, der fest mit der Erde verwurzelt ist. Dazu gehört natürlich auch, dass ein neues Selbstbewusstsein nicht mehr nur nassforsch angesagt werden muss, sondern sich auf die Zahl von 31 Millionen zahlenden Zuschauern des vergangenen Jahres berufen darf. |
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Erfolg aber ist, zumal im europäischen Kinogeschäft, eine
ewige Zwickmühle, zwischen breitem Publikumsgeschmack und kulturellem
Anspruch, zwischen Unterhaltung, die sich selbst trägt, und Kunst,
die ohne den Krückstock der Förderung nicht auf die Beine kommt.
Ein Dilemma, dem auch dieses Jahr erwartungsgemäß die aufregenderen
- weil brüchigen, verstörenden, irritierenden – der nominierten
Filme zum Opfer fielen: „Das weiße Rauschen" von Hans Weingartner
und „Der Felsen" von Dominik Graf wurden durch die Ehrungen für den
Schauspieler Daniel Brühl und den Schnitt von Hana Müllner mit
flüchtiger Beiläufigkeit abgefertigt. Was schade ist vor allem
für Katarina Eichhorn – ihr hätte man den Preis gewünscht
für ihre Rolle im „Felsen", als Korsika-Urlauberin auf Lebensreise.
Für den fragilsuchenden Zauber ihres Blicks und ihre Präsenz
in der schäumenden Gischt des digitalen Bildermeers.
Überraschungen waren also nicht drin - abgesehen vielleicht vom Silber für Tom Tykwers „Heaven" -, aber auch darin unterscheidet sich die Veranstaltung in Berlin nicht von der in Hollywood, die ebenfalls das Mehrheitsfähige dem Schrägen vorzieht. Bei den Oscars hat sich im übrigen auch Bernd Eichinger zu seiner verwegenen Idee einer Neuregelung inspirieren lassen: Statt einer kleinen Gremiums-Elite, einer übersichtlichen unabhängigen Jury, wünscht er sich, dass nach dem Vorbild der amerikanischen Film Academy die Masse der Filmschaffenden über ihre eigenen Preise abstimmt (siehe Kommentar). Die Branche selber würde dann souverän den Spagat zwischen Kunst und Kommerz bewältigen. Und die Haushaltslage des Bundes könnte sich womöglich durch die Befreiung von vielen Millionen an Preisgeldern durchaus bessern... Zunächst ist man schon mal mit der Verbesserung des Rufes zufrieden. Dazu passte auch der Repräsentationsakt des Kanzlers, der sich zum zweiten Mal als Galionsfigur des deutschen Films präsentiert und mit nachdenklicher Souveränität den Bogen von Rainer Werner Fassbinder zu Rainer Maria Rilke spannt. Fast könnte man glauben, dass er das Gedicht vom Panther wirklich so dahin zitiert, wie er es gerade erinnert, ohne am Nachmittag nochmal eben diese Erinnerung aufgefrischt zu haben. Die Erwähnung des Todestages des großen Filmemachers Fassbinder vor langen zwanzig Jahren hält an diesem Abend die Erinnerung wach an Filme, die ihre Kraft nicht vor allem aus Zuschauerzahlen beziehen. Die Nebenrollen-Lola, für die ruppig-rührige Hausmeisterin, die Eva Mattes im ebenfalls ausgezeichneten Kinderfilm „Das Sams" gespielt hat, wirkt da wie eine schöne, kleine Fußnote an das immer noch faszinierende Werk. |
Fassbinder auf der einen und Michael „Bully" Herbig auf der anderen
Seite, das sind die Pole dieser Gala, zwei Einzelgänger, die sich
selbst unbedingt treu geblieben sind - und vielleicht besteht der schönste
Sieg darin, dass dieser Balanceakt auch gelingt, in einer Mischung aus
Frotzele! und Vergnügen. Das hat freilich auch damit zu tun, dass
„Der Schuh des Manitu" ohne die Liebe zu den Mythen des Kinos nicht das
geworden wäre, was er ist. Diese Mischung aus lustvoller Irreverenz
und liebevoller Hommage klang auch in den Auftritten von Dirk Bach an,
der mit der routinierten Sat l und Gala-Moderatorin Caroline Beil durch
die Verleihung führte. Es gäbe attraktivere und stattlichere
Stars, die man sich für diesen Job womöglich wünschen würde,
als den kugeligen Kölner Komödianten. Aber wie Bach mit süffisantem
Witz keck die deutsch-europäischen Schwächen auf die Schippe
nimmt, ohne dabei je in Larmoyanz abzurutschen, und wie er mit subversivem
Zwinkern vieldeutige Scherzchen anspielt, ohne sie zotig auszuspielen,
das hatte Charme und Klasse. Caroline Beil dagegen hielt tapfer die Erinnerungen
an braves deutsches Talkshow-Niveau wach, inklusive roter Samtchaiselongue.
Am Ende aber war es doch die Show, die weiterging. Und wenn beim triumphalen Übergabe-Finale des vom Kulturstaatsminister ausgegebenen Sonderpreises für Bully Herbigs verdienste um das deutsche Kino und seine Zuschauerzahlen eine indianische Cheerleader-Gruppe zu seinen Ehren die Beine schwingt, dann wurden fast schon wehmütige Erinnerungen wach an die Femsehballetteinlagen früherer Verleihungen. Und der Blick, so müde geworden, dass er nichts mehr halten wollte, belebte sich nachdrücklich. ANKE STERNEBORG |
Alles Gold
Bester Film (Filmpreis in Gold): „Nirgendwo in Afrika" v. Caroline Link Beste Regie: Caroline Link, „Nirgendwo in Afrika" Besonders herausragende Spielfilme (Filmpreis in Silber): „Halbe Treppe" von Andreas Dresen und „Heaven" von Tom Tykwer. Bester Kinder- und Jugendfilm: „Das Sams" von Ben Verbong Beste Hauptdarstellerin: Martina Gedeck in „Bella Martha" Bester Hauptdarsteller: Daniel Brühl in „Nichts bereuen", „Das weiße Rauschen" und „Vaya con dios" Beste Nebendarstellerin: Eva Mattes in „Das Sams" Bester Nebendarsteller: Matthias Habich in „Nirgendwo in Afrika" Bester Dokumentarfilm: „BlackBox BRD" von Andres Veiel Beste Kamera: Gemot Roll für „Nirgendwo in Afrika" Beste Musik: Niki Reiser für „Nirgendwo in Afrika" Bester Filmschnitt: Hana Müllner für „Der Felsen" Filmpreis in Gold (undotiert) für herausragende Verdienste um den deutschen Film: Ottokar Runze Filmpreis in Gold (undotiert) für den besten ausländischen Film: „Die Klavierspielerin" von Michael Haneke (Österreich/Frankreich) Sonderpreis für eine hervorragende Einzelleistung: Michael „Bully" Herbig für Regie, Buch, Produktion und als Darsteller in „Der Schuh des Manitu" Publikumspreis Deutscher Kinofilm des Jahres: „Der Schuh des Manitu" Publikums-Schauspieler des Jahres: Michael „Bully" Herbig dpa |