vom August 2001
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MICHAEL »BULLY« HERBIG
Der 33-jährige Häuptling der Bullyparade kümmert sich jetzt im Kino um den Schuh des Manitu. Eine vernünftige Methode, nach vielen Jahren endlich den Tod von Winnetou zu verarbeiten. Aber ob's für einen Oscar reicht?
Howgh!
Ja, richtig. Howgh!
Sag mal was auf Schoschonisch.
Meine Rolle, Abahachi, der Häuptling der Apachen in Der Schuh des Manitu, ist der schoschonischen Sprache gar nicht mächtig. Und ich kann nur ein paar Brocken. „No tona katar" heißt zum Beispiel „Grabt das Kriegsbeil aus".
Kannst du die Titel aller Winnetou-Filme aufzählen?
Nein, das sind doch wahnsinnig viele. 16 Stück oder so. Es gibt sogar ein paar, die im Fernsehen noch gar nicht gelaufen sind, zum Beispiel Old Firehand - weil der so schlecht ist. Aber die Klassiker kenne ich: Der Ölprinz, Der Schatz im Silbersee, Winnetou 1-3. Wobei Winnetou ja im dritten Teil stirbt. Darüber bin ich bis heute nicht hinweggekommen. In Amerika würde man den Karl-May-Verlag dafür verklagen und sieben Milliarden Dollar bekommen. Aber in Deutschland wirst du mit deinem Trauma allein gelassen. Deswegen ist Der Schuh des Manitu für mich so eine Art Vergangenheitsbewältigung.
Ein Film reicht aus, um das zu verarbeiten?
Ich setze mich auch sehr intensiv mit der amerikanischen Geschichte um 1865 auseinander. Das war eine Zeit des Umbruchs: Die Sklaverei wurde beendet und Lincoln erschossen. Aber das weißt du ja sicherlich.
Hmm.
Prima. Kurz, mir geht's einfach darum, dass die Leute mehr über die Bräuche des Wilden Westens erfahren. Dazu gehört auch die Blutsbrüderschaft. Die kann man heute mit Piercing und Branding vergleichen, war also sehr hip. Jeder hatte einen Blutsbruder. Blutsbrüderschaft bedeutete aber auch eine soziale Verpflichtung. So wie heute die Ehe. Nur dass man sich seinen Blutsbruder nicht aussuchen konnte. Wenn du aus Versehen mal jemandem das Leben gerettet hast - so „Hallo, Vorsicht, da kommt eine Postkutsche" -, hattest du den Kerl dein ganzes Leben an der Backe.
Hast du selbst einen Blutsbruder?
Nein, das ist ja heutzutage sehr gefährlich. Natürlich gibt es Seelenverwandtschaften, sehr gute Freunde. Aber es wäre mir peinlich zu sagen: „Das ist mein Blutsbruder." Das Problem bei Blutsbrüdern ist, dass sie sich mit „Hallo, mein Bruder" begrüßen. Wie klingt denn das, wenn du irgendwo in eine Bar kommst?
Dir ist noch was peinlich?
Ja, mir ist wahnsinnig viel peinlich. Zum Beispiel, wenn ich Big Brother im Fernsehen sah, fühlte ich mich peinlich berührt. Deswegen ertrage ich das auch nicht länger als fünf Minuten. Mir tut das weh.
Ist dir auch etwas peinlich, was du selbst machst?
Ja, wenn ich mir die Klamotten ansehe, die ich aus den 80ern rübergerettet habe, dann ist mir das ungeheuer peinlich. In den 80ern dachte man ja, die 70er seien schlimm gewesen, aber wenn man sich heute die 80er ansieht, denkt man „Hey, die 70er waren echt okay". Genauso ist es mit dem Humor: auch eine Geschmacksfrage. Wenn ich mir heute Sketche aus der ersten Staffel der Bullyparade anschaue, denke ich mir „Bitte, sendet das nie wieder".
Ich dachte da mehr an aktuellere Situationen, die dir unangenehm waren.
Letztens bin ich rot geworden und mir wurde ganz heiß vor Verlegenheit. Das Gefühl kannte ich eigentlich nur aus der Schule, wenn es hieß „Herbig, an die Tafel". Als ich meinen ersten Termin mit dem Produzenten Bernd Eichinger für Der Schuh des Manitu hatte, kam ich in einen Raum, in dem außer ihm noch mehrere Dramaturgen, Herstellungsleiter und Lektoren waren. Ich ging also reihum und stellte mich vor mit „Herbig, angenehm". Als ich Bernd Eichinger die Hand schüttelte sagte ich „Eichinger, angenehm". In dem Moment hätte ich im Boden versinken können. Mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf: „Hat das jemand gehört? Mach ich noch einen Gag? Nee, lieber keinen Gag!" Der Vorteil war: Mir war danach alles egal.
Als ihr den Film dann gedreht habt, hattet ihr zwei echte Indianer dabei. Hast du von denen was gelernt? Wettermachen vilelleicht?
Nein. Eins vorweg: Ich habe einen sehr starken Glauben, aber das hat nichts mit Kirche zutun. Für mich sind diese vorgefertigten Religionen nicht wegweisend. Ob es nun Gott, Allah oder Manitu heißt - im Prinzip meinen alle dasselbe. So, wieder zu den beiden Indianern. Die hatten ein Auftreten, das mich fasziniert hat. Allein ihre Gesichtszüge und Blicke hatten was Mystisches. Und sie waren sehr nett und sehr entspannt.
Und was hast du nun gelernt?
Nichts, aber ich fühle mich bestärkt in den Gedanken, die ich im Bezug auf meinen Glauben habe. Denn einer von den beiden hatte auch einen sehr starken Glauben, bei dem Respekt eine große Rolle spielt. Als während des Drehs so viele Pannen passierten, kam er zu mir und meinte: „Manitu hat bestimmt nichts dagegen, dass du einen Film machst. Aber vielleicht hättest du ihn vorher fragen sollen."

Foto: Ingolf Hatz
Früher wolltest du nicht Apachenhäuptling, sondern Fußballprofi werden. Warum ist daraus nichts geworden?
Ich hatte zwei Ziele als Kind: entweder den Oscar oder Fußballnationalspieler. Eine Zeit lang bin ich zweigleisig gefahren, aber irgendwann musste ich mich entscheiden. Ich habe bei Unterhaching gespielt, bis ich meine Fotografenausbildung anfing. Da habe ich mit Fußball aufgehört. Danach ist Unterhaching übrigens aufgestiegen. Deswegen bleibt mir jetzt nur noch, den Oscar zu gewinnen.
Es ist aber auch großartig, täglich Sex zu haben und täglich zu lachen, behauptest du. Und? Wie sieht's bei dir aus?
Momentan nicht so gut, weil ich derzeit nur in der Filmmischung stecke - kleiner Wortwitz. Ich hoffe, in den nächsten Tage ändert sich das.
Kannst du auch auf Kommando lustig sein?
Nein, ich finde es ganz schrecklich, wenn auf Partys Leute von mir verlangen, einen Witz zu erzählen. Dann würde ich ihnen am liebsten ... Na ja, du weißt schon. Wenn Leute auf Partys anfangen, Witze zu erzählen, ist das ein Zeichen dafür, dass sie sich nichts mehr zu erzählen haben. Das ist immer der Punkt, an dem ich aufstehe und nach Hause gehe. Außerdem kenne ich die Witze doch eh alle, weil ich früher fürs Radio einige Witzbücher durchgearbeitet habe. Am Ende habe ich nur drei verwertet, aber das ist ein anderes Thema. Ich steh eher auf Realsatire. Wenn jemand auf der Straße gegen eine Laternenpfahl läuft, kann ich mich darüber totlachen. Ich hab mal gelesen, dass drei Minuten lachen am Tag genau so viel wert sind wie Fitness.
Wie Fitness oder wie Sex?
Wie Fitness. Obwohl: Durchs Lachen wird der ganze Körper aktiviert und es werden Glückshormone ausgestoßen. So wie beim Sex.
Bleiben wir beim Sex: Hattet ihr eigentlich eine Besetzungscouch für eure Assistentin bei der Bullyparade, Diana Herold?
Nein, leider nicht. Aber wir haben mit ihr einen Intelligenztest gemacht, aufgrund dessen sie dann genommen wurde. Sie lag nämlich weit unter dem Durchschnitt. Nein, war ein böser Scherz. Diana bedient das Klischee des Blondchens einfach perfekt: Sie schwingt die Hüften und sagt keinen Ton.
Du willst angeblich mit der Bullyparade aufhören. Stimmt das?
Im Prinzip ja. Man soll aufhören, wenn's am schönsten ist. Ich möchte nicht aufhören müssen, weil die Quoten in den Keller gehen. Aber wir haben beschlossen, noch eine letzte Staffel zu machen. Obwohl: Das sagen wir auch schon seit drei Staffeln.
Interview: Christian Kallenberg

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