Nr. 41 / 2001
Winnetou rettet den deutschen Film
Michael Herbig: Wie geht’s dem Mann privat und finanziell, der mit ‚Schuh des Manitu’ einen Hit schuf, von dem der deutsche Film träumte? 
 
Der Schuh des Manitu", der deutsche Kinohit (7,8 Millionen Zuschauer) des Sommers, lässt alles hinter sich, was aus Hollywood kommt. Das gab es nicht mehr seit  dem ersten Otto-Film (8,8 Millionen Zuschauer, 1985). Bully alias  Michael Herbig, der Star (Doppelrolle!), Autor, Regisseur und Produzent des Winne tou-Ulks, ist hin- und hergerissen zwischen Feierstimmung, harter Arbeit an seiner  „bullyparade" (ProSieben) - und dem Nachdenken über die Comedy nach dem Terror von Amerika.
 
In Österreich ist Ihr Film der erfolgreichste aller Zeiten und hat mehr Zuschauer als „Titanic". Was ist los mit den Österreichern?
Ich habe keine Ahnung, ich finde das irre. Ich werde jetzt die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Ich fühle mich da sehr verstanden.
In Deutschland brauchten Sie 18 Mlllionen Zuschauer, um „Titanic" zu schlagen.
Das wird nicht gehen. Obwohl, das habe ich anfangs auch über 1,5 Millionen Zuschauer gedacht und deshalb leichtfertig angekündigt, dass ich mit dem Rauchen aufhöre, wenn wir die haben.
Ist es Ihnen schwer gefallen?
Nicht wirklich. Ich habe mir jeden Tag aufs Neue eingeredet, es sei der erste Tag, und man könne ja mal ohne auskommen. Ich habe mir aber vorgenommen, mir demnächst eine Zigarre auf den Erfolg anzuzünden.
Inzwischen können Sie sich die ja auch leisten.
Das wird sich herausstellen. Die Liste derjenigen, die an dem Film verdienen wollen, wird immer länger.
Irgendwo stand, es bleiben 21 Millionen Mark für Sie übrig...
Das ist völliger Quatsch. Nicht mal die Hälfte. Aber ich entspanne mich und entsinne mich an das Gefühl, mit dem ich an den Film herangegangen bin: Ich wollte bei plus/minus Null herauskommen und bin deshalb sehr locker mit den Rechten umgegangen. Ich habe gesagt: Komm, nimm es,  bevor das Ding nicht stattfindet. Der Film war wirklich sehr schwer zu finanzieren.
Das dürfte bei der Fortsetzung anders werden.
Es gibt keine Fortsetzung. Das habe ich immer gesagt.
Nach diesem Erfolg kommen sie kaum drumrum.
Ach, jetzt erst recht nicht! Lieber  mache  ich  einen Film, den keiner erwartet.
Rennen Ihnen die Leute nicht die Tür ein nach einem neuen Film?
O ja,  mir wurden Millionenpakete auf den Tisch geknallt: Die wollten meinen nächsten Film blind kaufen. Da kann ich nur sagen: Wie seid ihr denn drauf? Vielleicht mache ich einen Kunstfilm. Vielleicht nenne ich mich Michel Bullier, der nächste Film heißt „Metapher", ist in Schwarz-weiß und mit Frauen, die Haare unter den Achseln haben, ständig rauchen und mit tschechischen Untertiteln und französischem Akzent sprechen.
Wie wär's mit Werbung? Für eine Powder-Rosa-KosmetIkserie etwa?
Natürlich sind auch diese Angebote da, aber ich bin nicht auf die Welt gekommen, um für Produkte zu werben. Und das Geld interessiert mich nicht.
Das behaupten viele.
Das kann man auslegen, wie man will. Aber für mich ist es ein riesiger Glücksfall, dass ich mir mit Überzeugung, Kraft und viel Arbeit in zehn Jahren einen Status erarbeitet habe: Ich bin mein eigener Herr und muss mich nicht verkaufen.
Haben Sie Ralph Siegel ausbezahlt? Der will seine Musik wiedererkannt haben.
Nein, die Anwälte verhandeln, ich halte mich raus. Aber als Ralph Siegel bei uns auf der Matte stand, hat uns das vor den Kopf gestoßen. Denn wir wissen, wie gefährlich es ist, mit Musik umzugehen. Wir haben alles sehr genau abgecheckt, uns die Rechte an „Strangers in die Night" und dem „Dritten Mann" besorgt. Das Winnetou-Musical von Herrn Siegel von 1982 allerdings kannte keiner. Die Platte gibt's nirgends, ich habe sie heute noch nicht.
Siegel verlangt vier Millionen Mark.
Ja, für insgesamt 16 Takte. Wenn ich das umlege, ist ein Takt von Herrn Siegel 250 000 Mark wert. Dafür kann ich das von Michael Jackson und Madonna einsingen lassen. Diese Forderung ist vollkommen .absurd.
Pierre Brice, der Held der alten „Winnetou"-Rlme, fühlt sich auch gekränkt ...
Das tut mir irre Leid, muss ich ganz ehrlich sagen, denn ich mag ihn halt. Ich wollte ihn nicht verärgern. Ohne ihn gäbe es diese großartigen „Winnetou"-Filme nicht. Und man kann nur etwas persiflieren, was man verehrt und liebt. „Der Schuh des Manitu" ist meine Liebeserklärung an dieses Filmgenre. Für mich ist Pierre Brice die Mutter aller Blutsbrüder.
Kann man nach den Attentaten In den USA weiter Comedy machen, als sei nichts gewesen.
Wir waren beim Drehen für die „bullyparade", als es passiert ist. Und das war erst mal pervers. Es ist ein apokalyptischer Zustand, wo sich dir alles zusammenzieht. Dann stehst du vor der Entscheidung, brichst du den Dreh ab oder sagst du dir: Nein, ich möchte nicht, dass diese Menschen genau das damit erreichen? Ich wür-de sie gar nicht mehr als Menschen bezeichnen. Das sind für mich auch keine Terroristen. Terrorist ist fast eine Verherrlichung für das, was die tun. Das sind schlichtweg Massenmörder.
Es wurde vom Ende der Spassgesellschaft geredet. Ihre Meinung?
Ich weiß, wies gemeint ist. Diese Leichtigkeit der letzten Jahre. Aber die so genannte Spaßgesellschaft ist nicht schuld an diesem Unglück. Es muss einen Ausgleich geben. Mein Aufstand gegen diese Attentate ist der, dass ich mich nicht beuge und eben nicht sage: keine Comedy mehr und nicht mehr lachen. Sondern: jetzt erst recht!
Kann man über Attentate witzeln?
Wahrscheinlich wird's gemacht, so was ist ja auch eine Form der Verdrängung. Von mir wird es garantiert nichts dazu geben. Das ist nicht mein Stil.
Interview: Georg Seitz

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